Nach einem ersten Schock mit anschließendem Post-Traumatischem Syndrom, zeichnen die Finanzbereiche des Mittelstands in Deutschland inzwischen ein deutlich anderes Bild als noch zu Beginn des Krisenjahres 2020. Wo bislang teilweise eingestaubte Strukturen und Arbeitsmodelle herrschten (#nochnichtvolldigitalisiert #SchränkevollerOrdner), wurden blitzartig Prozesse modernisiert, Arbeitsplätze flexibilisiert und der gesamte Funktionskreis (re-)vitalisiert.
In unserer täglichen Arbeit für Entscheider in den klassischen Verwaltungspositionen vieler Unternehmen spüren wir die Veränderung besonders deutlich – oder besser gesagt, den neuen Status Quo.
Konkret ist hier der frische Wind in der Arbeitsweise und dem neuen Selbstverständnis der Finance-Abteilung ebenso zu spüren, wie die verjüngten Anforderungen an bestehende und zukünftige Mitarbeitende. Als Finance Headhunter überführen wir diese routiniert in den Kandidatenmarkt und begleiten die „Konfrontation“ zwischen (bisheriger) Arbeitswelt und Post-Covid-Bedürfnissen.
Doch was hat sich konkret getan? – Ein Überblick:
Auf Seiten unserer Mandanten erleben wir zwei gravierende „Neuerungen“, welche maßgeblich von der Covid-Pandemie „motiviert“ wurden: Die Bereitschaft eine Möglichkeit zur mobilen Heim- bzw. Telearbeit anzubieten wuchs enorm. Man feilt gerade mehr an einem „wie viele Tage Home-Office gewähre ich meinen Mitarbeitenden in der Woche“ als an der Frage, ob überhaupt. Gerade bei konservativen Unternehmen konnten wir hier eine quasi 180°-Wendung beobachten, wo die Feuerprobe eines Lockdowns zur Konfrontation mit ehemaligen „Ängsten“ führte. Und siehe da: Es geht doch!
„Nun werden Home-Office Tage für viele Unternehmen zur Währung auf dem Kandidatenmarkt.“
Unternehmen ohne Option zur Remote-Arbeit haben das Nachsehen und vergraulen die eigene Belegschaft, die sich zusehends an ein (teilweises) Erbringen ihrer Leistung aus den heimischen Vier-Wänden gewöhnt hat. Vorbei sind die Zeiten, in denen Home-Office als „exotisches Zuckerl“ selten in Stellenbeschreibungen zu lesen war; Inzwischen ist es ein Hygienefaktor des modernen Arbeitsplatzes.
Doch möglich wird diese „neue“ Arbeitsform erst durch einen zweiten bemerkenswerten Punkt des Wandels vieler Unternehmen. Trieb ehemals noch ein CIO oder CTO (zumindest aber irgendjemand „aus der Technik“) das Thema Digitalisierung an, so konnte in den Jahren 2020 und 2021 zusehends dem neuen Treiber COVID bei der Arbeit zugesehen werden.
Fast über Nacht mussten Buchhaltungs- und Abschlussprozesse so digital aufbereitet werden, damit Aufgaben hier auch remote erfüllbar wurden; digitale Freigabeprozesse wurden in Windeseile umgesetzt (Stichwort E-signatur), um weiterhin geschäftsfähig zu sein.
Und wie erging es Mitarbeitenden in dieser Zeit des „Digitalisierungs-Umsturzes“?
Nach einer ersten Welle der Bestürzung und des Unbehagens konnten wir schnell eine Gewöhnung (oder zumindest ein Ergeben) feststellen.
Auch ehemalige Technikskeptiker schlossen Frieden mit der neuen Arbeitssituation und genießen nun mitunter die gewonnenen Freiheiten einer digitalen Arbeitswelt in Ihrem Unternehmen. Erste Anzeichen für ein Sinken der „Ausfall- und Krankentage“ sind zudem zu sehen: Es scheint, dass nun, da bequem auch von zu Hause ein paar Stunden digital gearbeitet werden kann, keine „ganzen Arbeitstage“ mehr einer Krankheit zum Opfer fallen. Weiterhin wird sind wir gespannt inwiefern dieses neue Selbstverständnis der Arbeitswelt sich auf den sonst üblichen Präsentismus auswirken wird. Werden wir zukünftig von „Abteilungs-Grippen“ verschont werden?
Doch neben diesen ersten Beobachtungen erleben wir vor allem in den Kreisen der Wechselwilligen und der Kandidaten auf dem Markt für Finanzpositionen einige Änderungen:
Grundsätzlich erleben wir bei Kandidaten zwei Grundhaltungen:
„klebrige Skepsis“ und „Ernüchterung“.
Zum einen trauen viele Personen „dem Frieden“ der ausklingenden Corona-Pandemie noch nicht und verhalten sich zurückhaltend, was einen Karriereschritt angeht. Man klebt noch etwas am derzeitigen Arbeitgeber und der Sicherheit der bisherigen Position. Hier muss ein neuer Arbeitgeber besondere Anstrengungen bemühen, um zu einem Wechsel einladen zu können.
Zum anderen konnten viele Mitarbeitenden ihren Arbeitgeber nun im Krisenmodus erleben, was im besten Falle zu Zusammenhalt und Loyalität führte, traurigerweise aber häufig eher zu einem Maß an Ernüchterung. So suchen viele nun nach ausgefallenen Gehaltserhöhungen, oder Boni sowie einem durchgestandenen Ertüchtigungsmarathon der Prozesse und Systeme nach „grünerem Gras jenseits des Gartenzauns“ – und prüfen hier aber nun sehr genau, inwiefern sich hinter Werbeversprechen einer Employer Brand auch Realität finden lassen wird.
Das Thema Home-Office und die Möglichkeit zum mobilen Arbeiten stiegen hier in der Bedürfnispyramide von Kandidaten spürbar auf. Lukrative Karriereangebote werden ausgeschlagen, wenn sich diese nicht mit der aktuellen Vereinbarkeit von Privat- und Berufsleben kompatibel sind. Sei es, da noch kein belastbares Post-Covid-Home-Office-Szenario verabschiedet wurde, oder aber die zukünftige wahrgenommene Flexibilität geringer ist als auf der derzeitigen Position.
Doch nicht nur Sie als Fach- oder Personalentscheider auf der Suche nach neuen Mitarbeitenden sind hier mit Herausforderungen konfrontiert, auch für uns als Personalberater gelten neue Regeln:
„Es war nie so leicht, nie war es so schwer, gute Leute zu finden.“
Nie konnte ein Headhunter so einfach ein tiefgehendes Gespräch mit potenziellen Kandidaten führen, wie nun, da fast alle im Home-Office arbeiten – Voraussetzung ist natürlich, dass man die entsprechende Durchwahl bzw. Mobilnummer besitzt.
Hier wiederum ergibt sich aber auch eine der größten Herausforderungen: Ins Home-Office kann häufigst nicht durchgestellt werden – und seien wir ehrlich gerne durchgestellt wurden Headhunter beim Versuch mit potenziellen Kandidaten ins Gespräch zu kommen nur selten. So bleibt lediglich der Weg über E-Mails, Social Media Direct Messages, oder die klassische Rückrufbitte – was wiederum Zeit kostet.
Nehmen wir einmal an, die Wunschkandidaten werden erreicht, dann gilt wiederum Vorhergesagtes: Diese hatten nun die Chance ihren Arbeitgeber im Krisenmodus zu erleben, was positive und negative Spuren hinterlassen haben kann; im Hinblick auf die Wechselbereitschaft aber auch auf die Vermittlungsfähigkeit.
Wie dem auch sei, final ist noch ein Punkt hervorzuheben: Die erwartete Bewerberschwemme aufgrund von Unternehmensliquidationen blieb in den üblichen Finanzfunktionen bisher aus. Insgesamt meldete das Statistische Bundesamt bisher nicht die erwarteten Zahlen an Unternehmensinsolvenzen. Gleiches gilt sogar für die für unser Metier weniger relevanten Arbeitslosen-Statistiken. Es sind also auch nicht von „Zauberhand“ mehr Bewerber auf dem Markt, wie sich das der ein oder andere gewünscht haben mag.
Bleibt noch die Frage: Quo Vadis Post Corona?
Wir rechnen mit einer anhaltenden Optimierung bestehender Prozesse und Systeme, um der veränderten Arbeitswelt und den Erwartungen der daran Beteiligten gerecht zu werden. Zunehmend werden Veränderungen der vergangenen Monate sich verfestigen und getroffenen Anpassungen in eine Welt Post-Corona überführt werden.
#wievielhomeoffice?
Beibehalten wird mit hoher Wahrscheinlichkeit vorerst der in der Krise enger angezogene Führungsstil anhand bereitgestellter Zahlen mit starkem Augenmerk auf die Entwicklung anzunehmender Risiken – wobei der Erhalt bestehender Mitarbeitenden ebenso eine Rolle spielen wird, wie (un-)geplantes Wachstum.
Jetzt schon erleben wir einen rasanten Anstieg der Anfragen „in der Linie“ aber auch in Führungsrollen. Es scheint gerade so, als wolle man einen Investitionsstau, der während der Krise entstand, nun auflösen wollen. Viele ManagerInnen haben sich in der Krise bewährt (#IsurvivedCOVID) und stehen nun nach einer Feuerprobe gestärkt und selbstbewusst in Ihrer Funktion bzw. auf dem Kandidatenmarkt. Hier steigt allerdings intern der Druck, da ggf. im Corona-Jahr eine Gehaltsanpassung ausfiel, oder ein Bonus ausblieb; beides wird nun nachdrücklicher verlangt werden. Die Alternative hierzu: Das Nachdenken über einen Wechsel.
Was bleibt zu tun? – Wir empfehlen unseren Mandanten ganz klar auch weiterhin Ihr Augenmerk auf aktuelle Talente zu richten und intern für eine „gesunde Haftung“ von Schlüsselpersonen zu sorgen. Gerade da sich derzeit viel in den marktüblichen Gehaltsbändern tut, ist hier eine „Nase auf der Straße“ wichtig, um nicht den Anschluss an den Markt zu verpassen. Hierbei stehen wir gerne zur Verfügung und können nur raten somit für die eigene „Talentfähigkeit“ zu sorgen.
Es bleibt: Gespräche mit interessanten Kandidaten sind nun leicht zu führen; ein vollzogener Wechsel muss sich allerdings umso härter verdient werden. Es scheint gerade so, als habe die Pandemie den Kandidatenmarkt nach einem kurzen Schockfrost nun revitalisiert.